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Wesselburen feiert 2024 sein 125jähriges Bestehen als Stadt. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte der Marktflecken einen Entwicklungsstand erreicht, der die Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1899 rechtfertigte. So hatte Wesselburen seit 1868 ein Amtsgericht, einen Eisenbahnanschluss gab es seit 1878, im Jahre 1893 wurde das erste Elektrizitätswerk Schleswig-Holsteins hier gebaut. Die Einwohnerzahl war von etwa 1300 im Jahre 1848 stetig gestiegen und betrug immerhin fast 3000 Seelen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der wirtschaftliche Aufstieg Wesselburens war in besonderem Maße einer Institution zu danken – der 1869 errichteten Zuckerfabrik.
Die Geschichte des Ortes beginnt aber natürlich bedeutend früher. Archäologische Ausgrabungen haben gezeigt, dass die beiden Wurthen, auf denen Wesselburen entstand, wahrscheinlich bereits im 9. Jahrhundert, spätestens jedoch im 11. Jahrhundert besiedelt waren. In einer Urkunde des Klosters Bursfelde wird „Wislincgeburin“ erwähnt, wobei vieles dafür spricht, dass damit Wesselburen gemeint ist, da auch von anderen Ansprüchen des Klosters in Holstein die Rede zu sein scheint. Bei dieser Urkunde, die den Anspruch erhebt, aus dem Jahre 1093 zu stammen, handelt es sich nachweislich um eine Fälschung aus dem 12. Jahrhundert. Urkundenfälschungen waren im Mittelalter durchaus häufig, um Ansprüche zu untermauern, aber auch eine Fälschung kann natürlich als Beleg für das Vorhandensein eines Ortes gelten. Diese Ersterwähnung war bereits lange bekannt, schon 1955 berichteten August Ladendorf und Heinz Stoob in der Zeitschrift Dithmarschen ausführlich darüber, jedoch wurden ihre Ausführungen in Wesselburen wenig beachtet und waren nur einem kleinen Kreis von Interessierten bekannt. Der Verdienst, diese erste Erwähnung im 12. Jahrhundert wieder einer breiteren Öffentlichkeit bekanntgemacht zu haben, gebührt Bernhard von Oberg, der in jüngster Zeit hierzu recherchiert hat. Urkundlich erwähnt wurde Wesselburen dann wieder 1281 in einem Vertrag einiger Kirchspiele Dithmarschens mit der Stadt Hamburg. Die erste Kirche, die die Wesselburener wohl um 1160 bauten, war eine einschiffige Feldsteinkirche, die möglicherweise schon auf einem kleineren Kapellenbau fußte. Dieses erste Gotteshaus wurde mit der Zeit zu einem Bauwerk mit drei von Kreuzgewölben überspannten Schiffen erweitert. So konnte der bekannte Chronist Neocorus zu Beginn des 17. Jahrhunderts „Weßlinburen“ folgendermaßen beschreiben: „Ein herlicher schoner Vlecken, hefft eine herliche dredubbelde Kerke, mit einer finen hogen Spitzen ( …)“.
Das obige Bild von Wesselburen wurde im Jahre 1834 hergestellt, bevor die Industrialisierung Einzug hielt, und ist damit die älteste Ansicht, die wir haben.
Die St. Bartholomäus-Kirche
Weithin sichtbar ist in der ebenen Marsch der markante Turm der St. Bartholomäus-Kirche. Das Gotteshaus erhebt sich auf einer der beiden Wurthen Wesselburens und stammt aus den Jahren 1737/1738. Zuvor war die alte Kirche ein Raub der Flammen geworden. Ein sehr großer Teil des Ortes war beim großen Brand im Sommer 1736 vernichtet worden, Wesselburen brauchte lange, um sich von dieser Katastrophe zu erholen. Der mit dem Wiederaufbau betraute württembergische Baumeister Johann Georg Schott krönte seine außergewöhnliche Dachkonstruktion mit dem für die Region so untypischen Zwiebelturm, der inzwischen zum Wahrzeichen Wesselburens geworden ist. Auch das Innere der Kirche ist sehenswert. Das mit drei Emporen ausgestattete, nahezu quadratische Kirchenschiff mit schmalem Chor und Apsis ist einheitlich im spätbarocken Stil gehalten. Die ungewöhnliche Größe und die hervorragende Akustik machten St. Bartholomäus zu einem begehrten Konzertveranstaltungsort für zahlreiche Künstler und zu einem kulturellen Zentrum Dithmarschens. Die Dachgauben wurden bei der Erneuerung des Kirchendaches Mitte der 1960er Jahre entfernt.
Die Zuckerfabrik
Großen wirtschaftlichen Einfluss auf die Entwicklung Wesselburens hatte die Zuckerfabrik. Sie wurde im Jahre 1869 von dem Belgier Charles de Vos gegründet. De Vos, der bereits die Zuckerfabrik in Itzehoe besaß, hatte überall in Schleswig-Holstein Versuchsfelder mit Zuckerrüben anlegen lassen. Dabei stellte er fest, dass in der Marsch zwischen Heide und Büsum Rüben gediehen, die einen sehr hohen Zuckergehalt aufwiesen. Die daraufhin gebaute Zuckerfabrik war der modernste derartige Bau in Schleswig-Holstein und beschäftigte in der Saison mehr als dreihundert Arbeiterinnen und Arbeiter. Die zu verarbeitenden Rüben stammten von etwa 1100 ha Anbaufläche, die der Fabrik gehörten oder von ihr gepachtet wurden. Zuliefererverträge mit den Bauern der Umgebung deckten den Rest. Die Arbeiterschaft rekrutierte sich vorwiegend aus den damaligen preußischen Provinzen Ostpreußen und Posen. Da die Arbeitskräfte untergebracht werden mussten, gehörten zur Fabrik auch Wohngebäude, die sogenannten Schnitterkasernen. Verheiratete Arbeiter wurden im „Familienhaus“ an der Straße Richtung Jarrenwisch untergebracht. In der Folgezeit siedelten sich viele dieser Familien in und um Wesselburen an. In der Anfangszeit der Fabrik wurden die Rüben ausschließlich durch Ochsenkarren transportiert, was dazu führte, dass die Wege oft in schlimmem Zustand waren. Später wurde dann eine Spurbahn gebaut, auf der man mittels Loren die Rüben von den teilweise weit entfernt liegenden Feldern zur Verarbeitung in die Fabrik brachte. Vielfältig waren die Auswirkungen der Fabrik auf die anderen Gewerbe des Ortes, die durch den Anstieg der Einwohnerzahl und den Eisenbahnanschluss, der vom Eigentümer der Fabrik gefordert und gefördert wurde, profitierten. Die Verleihung der Stadtrechte 1899 wäre wohl ohne die vorangegangene Ansiedlung der Zuckerfabrik kaum denkbar gewesen. Und so war es auch ein Schlag für Wesselburen, als die Fabrik im Jahre 1908 ihren Betrieb einstellte, weil der Rübenanbau nicht mehr rentabel war.
Bahnhof in Wesselburen
Der stattliche Bahnhof Wesselburens wurde 1878 zusammen mit der Bahnstrecke Heide-Wesselburen eingeweiht. Bis 1883 blieb Wesselburen Endstation, danach rollten die Züge über Süderdeich, Reinsbüttel und Osterhof weiter bis nach Büsum. Der Bau des Bahnhofes steht in engem Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Interessen der Zuckerfabrik. Und natürlich taten in der Folgezeit die Touristen, die nach Büsum in die Sommerfrische fuhren, ein Übriges, um den Betrieb auf lange Zeit sicherzustellen. Der größte Teil des Bahnhofes mit dem zweistöckigen Hauptgebäude wurde dann jedoch 1977 auf Veranlassung der Bundesbahn abgerissen – und das ohne Absprache mit der Stadt Wesselburen, was auf Seiten der Bevölkerung für Empörung sorgte.
Der Markt
Das links stehende Haus auf dieser Fotografie wurde 1738 errichtet und war lange Zeit Sitz des Amtes Kirchspielslandgemeinde Wesselburen. Zu Friedrich Hebbels Zeiten lebte hier der Maler Harding, bei dem der spätere Dichter Zeichenunterricht erhielt. Von 1881 bis 1935 befand sich hier die 1838 gegründete Spar- und Leihkasse.
Im Vordergrund ist das später verlegte Kriegerdenkmal für die Wesselburener Gefallenen im Krieg gegen Frankreich 1870/71 zu sehen. Die große Ulme, die die Ansicht des westlichen Teils des Marktes lange beschattet hatte, ist hier gut zu erkennen. Viele Geschichten rankten sich um diesen beeindruckenden Baum, dessen Alter auf etwa 500 Jahre geschätzt wurde. Als der Baum allerdings wegen der Ulmenkrankheit im Sommer 1986 gefällt werden musste, ließ sich an den Jahresringen feststellen, dass er nicht älter als 250 Jahre war und wohl nach dem Brand von 1736 gepflanzt wurde. In jedem Fall verlor Wesselburen mit der Ulme seinen größten Baum. Heute steht an dieser Stelle eine inzwischen auch recht schön anzusehende Linde.
Chausseestraße
Während um 1850 noch Höfe und Katen mit traditioneller Reetbedachung das Straßenbild Wesselburens geprägt hatten, zeigte sich um das Jahr 1900 ein ganz anderes Bild. Es waren – wie hier in der Chausseestraße – zahlreiche repräsentative Villen entstanden, die oft wohlhabenden Hofbesitzern oder gutbetuchten Bürgern als Altersruhesitz dienten. Auf dem Foto lässt sich auch der Schienenstrang der Spurbahn erkennen, der zur Zuckerfabrik führte. 1919 wurde die Straße zu Ehren von Nicolaus Johannes Dohrn, der von 1901 bis 1919 das Bürgermeisteramt ausgeübt hatte, in Dohrnstraße umbenannt.
Wasserturm
Problematisch war in Wesselburen und der umliegenden Marsch bis in die 30 Jahre des 20. Jahrhunderts die Versorgung mit Trinkwasser, was sich besonders bei langer Trockenheit bemerkbar machte. Durch den Bau der Wasserleitung von Borgholz über Wesselburen nach Büsum konnten die umliegenden Gemeinden mit sauberem Wasser versorgt werden, was von der Bevölkerung als große Erleichterung empfunden wurde. Im Zuge dieser Baumaßnahmen erhielt Wesselburen auch einen Wasserturm. Am 15. September 1936 meldete der „Heider Anzeiger” die „Vollendung des Wasserwerks Nordermarsch”. Sechs Jahrzehnte prägte der Wasserturm, ab 1963 dann gemeinsam mit dem Silo der Landhandelsfirma Stöfen, die „Skyline“ von Wesselburen. Umgeben war er von einem sehr schönen Park mit einem Bassin, in dem Goldfische schwammen, bis er schließlich 1993 weichen musste und spektakulär gesprengt wurde.